2019 scheint der Sensenmann besonders schlechte Laune zu haben, so gnadenlos wie er gerade bei prägnanten Persönlichkeiten zuschlägt. Reihenweise holt der Tod zur Zeit starke Charaktere ins Jenseits, als herrsche dort Mangel an herausragender Unterhaltung. Erst Bruno Ganz, dann Karl Lagerfeld und nun auch noch Werner Schneyder.
Werner Schneyder war ein Mann, der mir in jedem seiner Berufe höchsten Respekt abnötigte, auch wenn er selbst sich als ersten „Universaldilettanten“ bezeichnete. Eine kokette Fehleinschätzung, denn was Schneyder auch machte, er machte es stets auf seine eigene, bemerkenswerte Art – präzise formuliert, pointiert, bissig, mit Selbstironie. Ein echter Klartexter war dieser ehemalige Werbetexter, nicht nur als geschätzter Boxexperte ein verbales Schwergewicht.
Der Österreicher mit dem markanten Kurzhaarschnitt war entgegen seiner eigenen Einschätzung ein Universaltalent, das seine geistigen Fähigkeiten in vielen Rollen auslebte. Als Boxkommentator und als Moderator des Aktuellen Sportstudio beim ZDF gab er dem Sport mit seinen trockenen, aber wunderbar subtilen Worthieben eine bis heute einzigartige Note von Intelligenz. Nie sagte Schneyer etwas, das nicht wert war, nach-gedacht zu werden.
Wie viele habe ich bei zahlreichen Boxabenden an seinen Lippen gehangen, weil man dank Schneyders Leidenschaft für diesen Sport nicht nur etwas über den Faustkampf an sich lernte, sondern über viele Parallelen, die ins Leben außerhalb des Boxrings führten. Ein Genuss, dieser Stimme mit dem knarzigen Österreicher-Timbre zuzuhören, der selbst so richtig austeilen, aber auch einiges wegstecken konnte.
Meine Sympathien galten Werner Schneyder natürlich vor allem auch für seine jahrzehntelange Präsenz im deutschsprachigen Kabarett, dem er mit seinen scharfsinnigen und -züngigen Texten und Chansons viele Höhepunkte bescherte. Nicht zuletzt an der Seite des großen Dieter Hildebrandt, mit dem zusammen er politisches Kabarett par excellence pflegte. Zwei seelenverwandte Aufklärer, die hinter die politischen Fassaden und Worthülsen blickten und diese mit brillanten Wortgefechten zum Einsturz zu bringen vermochten.
Werner Schneyder, der 1937 in Graz geboren und in Klagenfurt aufgewachsen war und in Wien Publizistik und Kunstgeschichte mit Doktortitelabschluss studierte, glänzte Zeit seines Lebens im Verfassen wie im Vortragen intelligenter Texte. Ob als Kolumnist für den „Playboy“, als Satiriker, Regisseur oder Autor, die List des Komödianten paarte sich stets mit messerscharfer Analyse aktuellen Geschehens in der Welt.
Der Mann war, was viele vielleicht nicht wissen, nicht nur ein Meister markiger ironischer Worte, sondern er beherrschte auch die leiseren Töne der Dichtkunst. So wird mir Werner Schneyder neben all seinen genannten Begabungen nicht zuletzt als Lyriker in Erinnerung bleiben, der mit „Reimzeit“ einen Gedichtband geschrieben hat, in dem ich von Zeit zu Zeit immer wieder gerne blättere. So auch jetzt zum traurigen Anlass seines Ablebens. Genau dort finde ich den passenden Text, der seines Andenkens würdig ist.
Im Alter von 82 Jahren wurde Werner Schneyder nun vom Tod ausgeknockt. Ich wünschte ich könnte bis neun zählen und bei zehn stünde er wieder auf den Beinen. So bleibt mir nur ein leises „Servus“ zum Abschied und ein großes „Danke“ für all die Momente, in denen mich dieser Mann bereichert hat mit seinen geistvollen Auftritten. Gute Reise, Werner Schneyder!